„Baseball ist vielseitiger als Fußball“

Die „Westfalenbande“ will Baseball bekannter machen und Talente fördern. Das hat schon gut funktioniert – und einen jungen Paderborner zu den berühmten Red Sox nach Boston gebracht.

Marco Cardosos Traum hat sechs Buchstaben. Sie stehen vorne auf dem roten T-Shirt, das der erst 17-Jährige zum Videointerview übergestreift hat: „Red Sox“ – der Name des traditionsreichen Baseballklubs aus Boston. Seit dem Sommer steht Cardoso dort unter Vertrag. Gleich für fünf Jahre hat er bei den „Roten Socken“ unterschrieben.

 

Eine Unterschrift, die ihm zunächst einmal einen längeren Aufenthalt in der Dominikanischen Republik eingebracht hat. Dort trainiert und spielt der junge Paderborner mit dem Nachwuchsteam der Red Sox, während seine Freunde in Ostwestfalen Schnee schaufeln. „Ich lebe hier wirklich meinen Traum“, sagt Cardoso in die Handykamera. Dabei strahlen seine dunklen Augen aus einem jungenhaften Gesicht.

 

Begonnen hat dieser Traum in einer Schul-AG an der Heinrich-Bonhoeffer-Grundschule im Paderborner Stadtteil Schloss Neuhaus. Damals spielte Cardoso Fußball. „Ich habe gemerkt, dass mir Baseball mehr Spaß macht. Es ist vielseitiger als Fußball“, sagt er. Cardoso mag außerdem die Eins-gegen-eins-Situation, wenn zum Beispiel der Werfer auf den Schläger trifft.

Dennoch musste der Leiter der AG, Udo Happ, damals zunächst etwas Überzeugungsarbeit leisten, um das Talent ganz für den Baseballsport zu begeistern. Schließlich hat Baseball in Deutschland einen schweren Stand. Jungs spielen hier in der Regel Fußball.

 

Happ möchte daran etwas ändern. Und das schon seit vielen Jahren. Der damalige Leiter der AG, in der Cardoso seine ersten Baseballversuche machte, ist Projektleiter bei der Nixdorf Sport- und Jugendstiftung und einer der Verantwortlichen für die „Westfalenbande“ – eine Organisation, die sich seit gut zehn Jahren auf die Fahnen geschrieben hat, den Baseballsport in Westfalen schon bei Grundschulkindern bekannter zu machen.

Deshalb organisiert die Stiftung auch unter anderem entsprechende Turniere für Kinder unter 13 Jahren. Wie zuletzt den X-Mas-Cup in Paderborn. Dort wuselten mehr als 50 kleine Baseballer aus fünf verschiedenen Vereinen durch die Halle. Auch US-Profi Cardoso hat nach der Schul-AG in der „Westfalenbande“ seine weiteren Baseballschritte gemacht. „Ich bin der ,Westfalenbande‘ unheimlich dankbar. Es hat mega Spaß gemacht, dort mit den anderen Kindern zu spielen“, sagt er.

 

Doch die Organisation hat neben Turnieren und Camps noch weitere Aktionen im Angebot. „Wir führen zum Beispiel Baseballprojekttage an Grundschulen durch“, sagt Björn Schonlau. Seit er 13 Jahre alt ist, spielt er für die „Untouchables Paderborn“, hat dort fünf Meisterschaften im Herrenbereich gewonnen und ist mehrfach zum wertvollsten Spieler der Liga gekürt worden. Er weiß außerdem, wie er den Sport Neulingen beibringen kann.

 

Der 32-Jährige hat schon viele Projekttage in Grundschulen organisiert. Dabei kommt er mit allem, was benötigt wird, in den Sportunterricht. „Die ,Westfalenbande‘ bringt die entsprechende Ausrüstung mit. Kosten entstehen keine für die Schulen. Die einzige Voraussetzung ist, dass die Kinder das Brennballspiel kennen sollten“, sagt Schonlau. Für drei bis vier Wochen gestaltet er in solchen Projekten den Sportunterricht. In dieser Zeit führt er eine einfachere Version des Baseballspiels ein, die auch in einer Turnhalle gespielt werden kann.

 

„Bei uns hat das super funktioniert. Die Kinder waren sehr motiviert“, sagt Susanne Leweling. Sie ist Sportlehrerin an der Corneliusschule in Paderborn Elsen und hat das Programm der „Westfalenbande“ mit ihrer Klasse schon durchgespielt.

 

Die Pädagogin hält Baseball für eine enorm bereichernde Sportart in der Grundschule. „Jungen und Mädchen starten mit gleichen Voraussetzungen“, sagt sie. Außerdem schule Baseball die Geschicklichkeit der Kinder etwa beim Werfen und Fangen. Zusätzlich sind Schnelligkeit und ein gutes Zusammenspiel innerhalb der Mannschaft gefragt. Und noch ein Vorteil: Eine Baseballmannschaft benötigt viele Spieler. „So ist fast die ganze Klasse beschäftigt“, sagt Leweling.

 

Nachwuchsförderung ist das A und O

Insgesamt hat die „Westfalenbande“ seit ihrer Gründung im Jahr 2006 mehr als 120 Projekte und über 490 Projekttage an Grundschulen realisiert. Hinzu kommen Grundschulmeisterschaften und weitere Turniere. „Dabei ist uns wichtig, dass das Spiel und der Spaß im Vordergrund stehen und nicht der Leistungsgedanke“, sagt Happ.

 

Zusätzlich werden Trainerausbildungen finanziert und die aktuell elf Partnervereine in Dortmund, Hagen, Verl, Gütersloh, Siegen, Marl, Paderborn, Werl, Ennepetal, Minden und Witten unterstützt. „Wir kümmern uns auch gezielt um die Nachwuchsförderung. Das ist für die meisten Vereine sonst eher schwierig“, sagt Happ.

 
Das Konzept scheint aufzugehen. Denn aus der Arbeit der Organisation sind schon viele Talente hervorgegangen. Allein 23 aktuelle Nationalspieler in unterschiedlichen Altersstufen haben ihre ersten Schritte auf dem Baseballfeld in der „Westfalenbande“ gemacht. Zu ihnen gehört auch Marco Cardoso. Er hat alle Nachwuchsmannschaften der Untouchables Paderborn durchlaufen und war nach seiner Zeit bei der „Westfalenbande“ auch an der Deutschen Baseball-Akademie. Hier konnte sein Talent weiter gefördert werden.
 

Heute überzeugt er mit einer enormen Wurfkraft. Cardoso beschleunigt den Ball auf mehr als 150 km/h. Außerdem läuft er die 100 Meter unter elf Sekunden. Schon mit seinen 17 Jahren gilt er als einer der besten Spieler Europas auf der sogenannten Shortstop-Position.

 

Für Cardoso geht es nun darum, weiter an seinem Talent zu arbeiten. „Ich will auf jeden Fall alles versuchen, in die MLB zu kommen“, sagt der 17-Jährige. MLB – drei Buchstaben, die für die beste Baseballliga der Welt stehen, die Major League Baseball. Cardosos Traum ist längst noch nicht ausgeträumt.